Ein schon seit Jahren bedeutendes Projekt der Europäischen Bewegung Niedersachsen (EBN), das inhaltlich sowohl durch die Europa-Union als auch die Paneuropa-Union unterstützt wird, trägt den Titel „Niedersachsen lernt Europa“. Hintergrund: Es gibt zwar „Europa“ in den Curricula vieler Fächer, es gibt Austausche, Studienfahrten und Programme wie ERASMUS+, aber es gibt wenig „Verbindendes“ zwischen all diesen Inhalten, Angeboten und Initiatives. Die Europa-Union fordert schon seit Jahren eine Bündelung und Koordination der Europabildung an Schulen und darüber hinaus, aber passiert ist bislang nicht viel. Nun fand im Forum des niedersächsischen Landtags eine öffentliche Veranstaltung zum Thema auf Einladung der EBN statt. Zugegen waren zahlreiche Gremien, Verbände, Parteien, Vereine und Initiativen. Das Albert-Einstein-Gymnasium Hameln war als eine von nur zwei Schulen Niedersachsens (!) neben der IGS Garbsen zu dieser Veranstaltung eingeladen worden.
Begrüßt wurden die Anwesenden durch die Stellvertretende Landtagspräsidentin Meta Janssen-Kucz, die ermahnte, die Idee des Europäischen Bildungsraums mit Leben auszufüllen. Besonders wichtig war ihr, dass Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen Schulformen anwesend waren. Die Moderation der Veranstaltung erfolgte durch Uwe Grebe (Vorsitzender EBN Niedersachsen), der einen Verweis auf das Konzept „Niedersachsen lernt Europa“ (kompakte Bündelung des Europagedankens in den Lehrplänen und Aufbau eines Förderprogrammes: „Niedersachsen lernt Europa“) anfügte. Die zentrale Frage: Ist eine Bündelung der Europabildung vieler Fächer nicht sinnvoller, als das Thema Europa (wie es heute üblich ist) auf viele Fächer verteilt?
Europa müsse erlebbar gemacht werden – nicht nur der Bau von Gebäuden und Straßen sollte gefördert werden, sondern Bildung und Begegnung . Ähnlich argumentierten Ruth Wesemann-Mutz von der IGS Garbsen („es ist wichtig Herzen für Europa zu gewinnen“), Kathrin Langel vom Landeselternrat („Europa lebt vom direkten Miteinander. Wir brauchen mehr Austausche und Fahrten, mehr Kontakte!“) und Matteo Feind vom Landesschülerrat. Man brauche unbürokratische Lösungen, um auch Fahrten für diejenigen, die wenig Geld haben, zu ermöglichen. „Denn in vielen Fächern findet Europa irgendwie statt, aber über solche Kontakte wird Europa erlebbar“, so Feindt. Genau dies aber sei durch die Neuregelung des Fahrtenerlasses bzw. die Darstellung im Schulverwaltungsblatt, wonach Schulfahrten öffentlich ausgeschrieben und vergeben werden müssten, bürokratisch erheblich erschwert worden, bemängelte Cord Wilhelm Kiel, stv. Vorsitzender der Europa-Union und des Philologenverbands Niedersachsen, der selbst mit seiner Europa-AG vom Albert-Einstein-Gymnasium angereist war. Den Staatssekretär forderte er auf: „Nehmen Sie diese Regelungen zurück, die Schulen brauchen weniger statt weiterer zusätzlicher Bürokratie!“ Manche Lehrkräfte und Schulleitungen würden bereits überlegen, sämtliche Fahrten auszusetzen.
Staatssekretär Marco Hartrich – in Vertretung der erkrankten Kultusministerin Julia Willie Hamburg – nahm viele der vorigen Äußerungen auf: „Europa erlebbar machen“, sei das Ziel der Landesregierung, Schülerinnen und Schüler müssten dazu gewonnen werden, sich für Europa zu interessieren. Das Ministerium versuche, die Schule zu entbürokratisieren, daher sollten die Vergabewerte für Schulfahrten erhöht und die angesprochenen erschwerenden Neuregelungen zurückgenommen werden. Persönliche Erfahrungen durch Austausche seien ihm sehr positiv in Erinnerung geblieben – und diese sollten durchaus früher stattfinden können. „Europa“ sei ein Beitrag zur Demokratiebildung und Friedensarbeit, aber auch Sprache und Kultur. „Europa ist Bildungsauftrag für alle Fächer und muss es auch sein“, urteilte Hartrich, „eine Bündelung ist zu diskutieren, aber eigentlich sollte Europa überall sein.“ Das Kultusministerium würde zur Europaarbeit viel Unterstützung bieten: Erasmus+, Austauschprogramme, Partnerprogramme, Schulkooperationen, das Beratungssystem „internationale Schulen“, das jede Schule in Anspruch nehmen könne. 201 Schulen seien im „Netzwerk Europaschulen“, vertreten, das, wie auch das Land, Fachtage für Europaschulen anbiete.
„Wir wollen internationalen Austausch fördern“, schloss der Staatssekretär, „weitere Schulen sollen ermutigt werden, Erasmus+ und andere Aspekte zu nutzen.“ Außerdem gebe es Studienfahrten für Lehrkräfte an Europaschulen (2024 nach Brüssel) oder europe-direct-Büros in vier Regionen des Landes. Auf die Wortmeldung, dass Wettbewerbe wie der Europäische Wettbewerb gar nicht bei all diesen Aspekten genannt worden wären, räumte Marco Hartrich ein, dass Erfolgserlebnisse aus Wettbewerben sehr wichtig seien – er werde schauen, welche für die Europabildung wichtig Wettbewerbe verstärkt zu fördern sind. eine Schülerin = Preisträgerin bestätige im späteren Verlauf die Chancen dadurch z.B. den Brüsseler „Betrieb“ kennengelernt zu haben.
In der anschließenden Diskussionsrunde wurde darauf hingewiesen, dass mit vereinzelten „Leuchttürmen“ viele Schülerinnen und Schüler, aber auch junge Erwachsene nicht erreicht werden könnten, Chancen und Bildungsgerechtigkeit auf der Strecke bleiben. Eine Koordination bzw. Vernetzung der Leuchttürme“ fehle, wie dies auch Europaministerin Wiebke Osigus beim Gespräch mit der Europa-Union festgestellt habe. Bemängelt wurde auch, dass das „Netzwerk der Europaschulen“ ein Privatverein sei, der mehr – auch finanzieller – Unterstützung bedürfe. Vom „Pulse of Europe“-Team wurde die bessere Beteiligung der anwesenden Schülerinnen und Schüler ins Gespräch gebracht. Diese ergriffen dann verstärkt das Wort: Demokratiebildung müsse Hauptfach werden, Austausche dürften nicht nur für Privilegierte sein, bürokratische Barrieren für Lehrende wegfallen.
Ariana Mirzadeh vom Albert-Einstein-Gymnasium, mehrfache Bundessiegerin beim Europäischen Wettbewerb und schulinterne Gewinnerin des Schumann-Pokals, regte eine Überarbeitung der Curricula an: „Seit der 7. Klasse gibt es immer wieder dieselben Themen, vor allem Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg, aber wie Europa aufgebaut wurde, das kommt praktisch nie in den Fokus.“ Europa müsse auch durch Planspiele erlebbar werden, gerade für die jüngeren Jahrgänge. Harm Adam, Landesvorsitzender der Europa-Union Niedersachsen, ergänzte, dass Austausche und Fahrten nicht einfach nur „reisen“ bedeuten dürfe, sondern qualifiziert begleitet und vorbereitet sein müssten. Hier gebe es in Schleswig-Holstein einen Zertifikatskurs Europa, der Lehrkräfte qualifiziere, Fahrten im Sinne der Demokratie- und Europabildung durchzuführen.
Die Landtagspräsidentin griff in ihrem Schlusswort viele der genannten Aspekte auf. „Wir müssen mehr bündeln, dürfen Schulen und engagierte Lehrkräfte nicht allein lassen. Europa muss für Schüler und Schülerinnen erlebbar sein. Wir haben viele außerschulische Bildungseinrichtungen. Es ist aber schwierig, weil Lehrkräfte überlastet sind, mit diesen internationale Jugendbegegnungen zu planen.“ Das Konzept „Demokratie erleben“ komme in die Schulen, es solle „mehr gemacht“ werden, auch außerschulisch z.B. mit VHS, HVHS und Bürgerinitiativen. Nach der intensiven Diskussion folgten Begegnungen am Büfett und Infostand des Europäischen Informationszentrums (EIZ), es wurde noch lange weiter gesprochen und Kontakte geknüpft – vielleicht ein erster Schritt zu mehr „Europalernen“ in Niedersachsen.