Der Zeitzeuge Heinz-Wilhelm Sartor, geboren 1928 in Hameln, erlebte den 2. Weltkrieg und besonders das Regime der Nationalsozialisten mit eigenen Augen. Er wollte seine Erfahrungen, die Erinnerungen an die damalige Zeit und besonders das Schulsystem mit anderen teilen. Deswegen besuchte der 97-Jährige die Klasse 10D am Mittwoch, den 5.11.2025 im Rahmen des Geschichtsunterrichts bei Herrn Eimer.
Herr Sartor beschrieb, wie früh der NS-Staat schon in die Erziehung der Kinder eingriff und sie beeinflusste. Nach der Volksschule in der Hermannstraße, bei der sie 52 Schülerinnen und Schüler in einer Klasse waren (heute vom Vikilu genutzt) und dem Wechsel zur Oberschule für Jungen (dem heutigen Schiller) stand 1939 der Eintritt in das Deutsche Jungvolk (DJ), die Kinderorganisation der Hitlerjugend (HJ), an. Die Mitgliedschaft war ab 1936 für alle Kinder ab 10 Jahren verpflichtend.
Im Alter von zwölf Jahren wurde er in die einzige Adolf-Hitler-Schule (AHS) des Gaus Süd-Hanover-Braunschweig aufgenommen. Adolf-Hitler-Schulen waren die wenigen Eliteschulen des 3. Reiches, die direkt der HJ unterstanden. Die Aufnahme erfolgte nach einem strengen Auswahlverfahren für die besten Jungen des Jungvolks, zu dem auch der Ahnenpass vorgelegt werden musste. Seine Mutter war über diese Entwicklung und die damit verbundene Trennung von ihrem Sohn sehr traurig, musste sich jedoch fügen.
Die Adolf-Hitler-Schule befand sich in Blankenhain bei Weimar in Thüringen und war als Internat in den Räumlichkeiten einer ehemaligen Behinderteneinrichtung untergebracht, deren Einwohner zuvor ermordet worden waren. Auf dem Lehrplan standen zusätzlich zu den klassischen Unterrichtsfächern verschiedene sportliche Aktivitäten und militärischer Drill. Außerdem wurde die Geschichte der NSDAP und Hitlers gelehrt sowie Rassenkunde. Wichtig waren dabei vor allem Ordnung, Disziplin und Treue. Besonders überraschend war für die Schülerinnen und Schüler der 10D, dass bei Klassenarbeiten und Diktaten das Abschreiben oder Spicken „unter der Würde der Schülerinnen und Schüler“ war und deswegen keine Aufsicht benötigt wurde. Außerdem erzählte Heinz-Wilhelm Sartor von diversen Exkursionen der Adolf-Hitler-Schule, unter anderem von seinem Besuch im Konzentrationslager Buchenwald. Tatsächlich wurde das Konzentrationslager ohne Vorbereitung oder nachträgliche Aufarbeitung der Schüler besichtigt, es war den Schülern also nicht klar, welche Gräueltaten dort verübt wurden. Deshalb meinte Heinz-Wilhelm Sartor, dass er während des Besuches „gemischte“ Gefühle gehabt habe. In den Sommerferien 1944 arbeiteten die Schüler der Adolf-hitler-Schule in einer unterirdischen Fabrik in Kahla (Thüringen) an Düsenjägern, wo sie auch in Kontakt mit Zwangsarbeitern kamen.
Abschließend ging er noch auf seine Erfahrung an der Kriegsfront ein, wo er im April 1945 als 16-Jähriger zusammen mit jüngeren Schulkameraden das Autobahnkreuz Hermsdorf in Thüringen verteidigen sollte. Es gab mehrere Tote und er geriet für eine Woche in Kriegsgefangenschaft bei den Amerikanern. Nach der Entlassung schlug er sich zu Fuß zurück nach Hameln durch. Nach Kriegsende wurde ihm bewusst, wie falsch das System des NS gewesen war und was für katastrophale Folgen es für die Gesellschaft hatte.
Der Besuch des Zeitzeugen konnte den Schülerinnen und Schülern die Erlebnisse und die Erfahrungen der Zeit des Nationalsozialismus näherbringen. „Es war mal etwas anderes, als Textquellen aus Büchern zu lesen. Durch den Besuch konnte man sich viel besser in die damalige Gesellschaft hineinversetzen.“ In einer anschließenden Fragerunde klärte Heinz-Wilhelm Sartor noch Offengebliebenes und stellte noch ein Gedicht von Erich Kästner vor: „Wenn wir den Krieg gewonnen hätten“. Er schloss seinen Bericht mit einer persönlichen Feststellung an die Schüler: „Ich bin dankbar dafür, dass ich heute in solch einem demokratischen Sozial- und Rechtsstaat leben darf. Es liegt in unserer Hand, ob so etwas Schreckliches wie damals heute noch einmal passiert."
Für die Schülerinnen und Schüler der 10D war dieser Besuch nicht nur ein interessanter Einblick in die Geschichte Deutschlands, sondern auch eine gelungene Abwechslung im Geschichtsunterricht. Besonderer Dank gilt an dieser Stelle vor allem Heinz-Wilhelm Sartor, der trotz seines fortgeschrittenen Alters den Weg zu unserer Schule auf sich genommen hat. Außerdem seiner Enkelin, die ihn bei seinem Besuch begleitet hat und seinen außergewöhnlichen Bericht auch zum ersten Mal verfolgen durfte.
Ein Bericht von Ben Karsubke und Jannick Lüdtke (10D)