Das Sozialpraktikum "Jung trifft Alt"
Das gibt es nur am AEG: Das Sozialpraktikum „Jung trifft Alt“
Unsere Schule führt in den neunten Klassen ein obligatorisches Sozialpraktikum durch. Dieses Praktikum wird hier näher vorgestellt.
Ursprünge
Viele Menschen sorgen sich um den sogenannten Demographischen Wandel. In einigen Jahrzehnten wird es in Deutschland mehr alte als junge Menschen geben. Die Folgen für die Sozialsysteme sind noch nicht absehbar. Einige Experten befürchten sogar ein Auseinanderbrechen der Gesellschaft.
Die öffentliche Diskussion um diese Dinge begann um die Jahrtausendwende. Das Albert-Einstein-Gymnasium hat damals unter Federführung von Arno Krebbel das Problem aufgegriffen und dieses Sozialpraktikum (auf einer Idee des Otto-Hahn-Gymnasiums Springe fußend) entwickelt. Die Gesamtkonferenz beschloss im Jahre 2003, dieses Praktikum für alle Schülerinnen und Schüler des neunten Jahrgangs verpflichtend zu machen.
Ziele
Die Ziele des Sozialpraktikums leiten sich aus dem Bildungsauftrag unserer Schule und insbesondere aus ihrem Leitbild ab.
Im Leitbild des Albert-Einstein-Gymnasiums lautet ein Leitziel:
Wir vermitteln und fördern die Ausbildung von Sozialkompetenzen.
Als Qualitätsstandard dafür wurde formuliert:
Alle Schülerinnen und Schüler führen im Sekundarbereich I ein Sozialpraktikum durch.
Das Sozialpraktikum hat politisch und pädagogisch begründete Feinziele:
- Die Schülerinnen und Schüler sollen sich, wenn sie später Verantwortungsträger sind, über die Lebensleistung der älteren Generationen im Klaren sein und sich bewusst machen, dass ihr individuelles Handeln Folgen für konkrete Menschen haben kann, wie sie solche im Praktikum kennengelernt hatten.
- Die Schülerinnen und Schüler sollen in ihrem späteren Berufsleben Handlungen unterlassen, die als Altersdiskriminierung bezeichnet werden können. Altersdiskriminierungen sind bei Ratenkäufen, Versicherungsabschlüssen und sogar im Gesundheitswesen leider keine Ausnahme.
- Die Schülerinnen und Schüler bekommen die Gelegenheit, ihre Sozialkompetenz auszubauen. Dazu müssen sie sich auf einen Menschen einlassen, der einen ganz anderen Erfahrungshintergrund als sie selbst hat. Sie müssen austesten, welche Umgangsformen und welche Sprache angemessen sind. Nach dem Praktikum werden die Schülerinnen und Schüler in der Lage sein, mit weniger „Schwellenangst“ auf einen fremden Menschen zuzugehen. Diese Eigenschaft wird auch von Arbeitgebern gern gesehen. Das wird im 10. Schuljahr Bedeutung bekommen, wenn sich die Schülerinnen und Schüler um einen Betriebspraktikumsplatz bewerben werden.
Autor: Carsten Schwier-Herrmann
Das Praktikum gliedert sich analog zum Schuljahr in vier Phasen. Hierbei kann es zu Verschiebungen kommen, je nachdem, wie lang oder kurz das jeweilige Schuljahr ist:
A Informationsphase (in der Regel zwischen Sommer- und Herbstferien)
Der Koordinator des Sozialpraktikums besucht die neunten Klassen in deren Verfügungsstunden und stellt das Praktikum vor. Für Eltern und Senioren stehen Informationsmaterialien bereit.
B Vorbereitungsphase (in der Regel zwischen Herbstferien und Halbjahresende)
Die Schülerinnen und Schüler begeben sich auf die Suche nach einem passenden Projektpartner. Dabei dürfen Eltern, Großeltern oder andere Erwachsene gerne helfen. Andererseits besteht ein besonderes Erfolgserlebnis für einen jungen Menschen darin, „Schwellenangst“ überwunden zu haben. Dem eigenständigen Suchen der Schülerinnen und Schüler nach einem Projektpartner ist deshalb der Vorzug zu geben.
Wer ist als Projektpartner geeignet?
Besonders geeignet sind Menschen, die klar der Großelterngeneration der Schülerinnen und Schüler angehören. Ein Kriterium könnte sein, dass diese Menschen nicht mehr im aktiven Berufsleben stehen (Rentner oder Pensionäre), ein anderes, dass sie selbst schon erwachsene Kinder haben oder tatsächlich Großeltern sind. Die Senioren dürfen den Schülerinnen und Schülern bereits oberflächlich bekannt sein, längere Gespräche sollen aber noch nicht stattgefunden haben. (Ein Kunstgriff könnte darin bestehen, die Oma eines Mitschülers auszuwählen, die man bestenfalls nur vom Sehen kannte.)
Wer ist als Projektpartner nicht geeignet?
Schwer pflegebedürftige Personen sollen nicht als Projektpartner ausgewählt werden. Dadurch wird verhindert, dass sich die Schülerinnen und Schüler einem moralischen Druck ausgesetzt fühlen, dass sie pflegerische Handgriffe vornehmen sollen. Pflegerische Handgriffe können das Schamgefühl verletzen oder gesundheitsschädlich sein. Das dürfen wir unseren Schülerinnen und Schülern nicht zumuten. Die Praktikanten sollen außerdem nicht anderen Menschen, die dafür ausgebildet sind und davon leben müssen, die Arbeit wegnehmen.
Im Einzelfall können Personen dennoch in Frage kommen, auch wenn sie in einer Pflegestufe zugeordnet sind. In einem solchen Fall soll Rücksprache mit der Schule gehalten werden.
Ende Januar folgt ein Vorbereitungsseminar. In diesem Seminar sollen die Schülerinnen und Schüler Ideen für den Umgang mit Menschen ihrer Großelterngeneration entwickeln. Dazu werden folgende Fragen geklärt:
- Was könnte mein Projektpartner schon erlebt haben?
- Inwieweit kann ich schon unbefangen auf einen fremden Menschen zugehen?
- Wie funktioniert „Smalltalk“?
- Was hat das Ganze mit mir zu tun? (Demographischer Wandel)
Durch das Seminar können die Schülerinnen und Schüler Gesprächsanlässe entwickeln oder Sensibilität entwickeln, bestimmte Themen nicht oder nur vorsichtig anzusprechen.
Das Vorbereitungsseminar kann im Fachunterricht Religion bzw. Werte und Normen ergänzt werden. Gegenstände des Unterrichts können Umgangsformen oder Rollenspiele, die Gesprächssituationen zwischen Jung und Alt simulieren, sein.
C Besuchsphase
Die Besuche finden zwischen dem Halbjahreswechsel und den Osterferien statt. Üblicherweise trifft man sich im Wochenrhythmus für etwa zwei Zeitstunden. Insgesamt müssen mindestens 12 Zeitstunden nachgewiesen werden, in denen Besuche stattfanden.
Den Abschluss der Besuchsphase bildet das gemeinsame Kaffeetrinken in der Aula.
Das Kaffeetrinken ist in erster Linie als Dankeschön-Veranstaltung für alle Teilnehmer gedacht.
- Schulleitung und Praktikumskoordinator bekommen die Gelegenheit, allen Beteiligten persönlich zu danken.
- Die Seniorinnen und Senioren dürfen sich neben Kaffee und Kuchen auch an Musikdarbietungen von Schülern erfreuen.
- Weiterhin bekommen sie die Gelegenheit, das Albert-Einstein-Gymnasium im Rahmen einer Führung zu besichtigen.
Wenn noch Zeit bleibt, können einzelne Schüler oder Senioren von ihren Erfahrungen im Praktikum berichten.
Daneben verfolgt das Kaffeetrinken auch pädagogische Ziele:
Jede Schülerin und jeder Schüler muss an diesem Nachmittag einen Beitrag leisten. Aus dem Zusammenwirken aller Beiträge ergibt sich eine gelungene Gesamtveranstaltung.
- Die Schülerinnen und Schüler erfahren dadurch, dass ihr kleiner Beitrag wertvoll und notwendig für das Ganze ist.
- Sie erkennen, welcher logistische Aufwand hinter einer solchen Veranstaltung steht.
Autor: Carsten Schwier-Herrmann
D Auswertungsphase
Die Auswertung des Praktikums erfolgt durch die Anfertigung eines Praktikumsberichts. Ab dem Durchgang 2012/2013 wird dieser Praktikumsbericht benotet und in die Halbjahresnote des Faches Religion bzw. Werte und Normen einfließen. Entsprechende Fachkonferenzbeschlüsse wurden 2013 gefasst.
Ziele des Praktikumsberichts
- Die Schülerinnen und Schüler lernen, wie ein Bericht geschrieben wird. Dieses Wissen wird benötigt, wenn in Schule oder Beruf Berichte geschrieben werden müssen. Es bereitet auch auf die Facharbeit vor.
- Die Schülerinnen und Schüler üben ihre Selbstreflexionskompetenz.
Form und Inhalt des Praktikumsberichts
Der Praktikumsbericht muss formalen Grundsätzen genügen:
- Der Bericht muss ein Deckblatt haben, das die Überschrift des Berichts, den Namen der Schülerin oder des Schülers und den Berichtszeitraum beinhalten muss.
- Der Bericht ist maschinenschriftlich in 12-Punkt-Schrift mit einem Zeilenabstand von 1,5 abgefasst.
- Der Bericht darf ohne Deckblatt nicht weniger als zwei DIN-A4-Seiten umfassen.
- Der Bericht muss mit einer schützenden Umhüllung (z.B. Klarsichtmappe) abgegeben werden.
- Der Bericht gliedert sich in einen allgemeinen Teil und einen Reflexionteil. Der allgemeine Teil enthält listenartig Angaben über die Schülerin oder den Schüler und den Projektpartner; außerdem eine Aufzählung der Besuche mit Zeitangaben und einer kurzen Zusammenfassung der Aktivitäten. Die Aufzählung dient dazu, nachvollziehen zu können, ob die Pflichtstundenzahl eingehalten wurde.
- Der Bericht enthält keine gehäuften Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit.
Inhaltlich wird erwartet, dass die Schülerin oder der Schüler sich zu folgenden Aspekten äußert: die eigene Einschätzung über den Alltag und die Einstellungen alter Menschen (vor und nach dem Praktikum), exemplarische Beschreibung von Gesprächsthemen und Aktivitäten, das Projekt als Solches
- Wie sind wir darauf gekommen, bestimmte Aktivitäten zu machen?
- Worüber haben wir gesprochen? Welche Themen waren „Selbstläufer“, wo wurde es schleppend? Waren die Gespräche überwiegend langweilig?
- Welche Ansichten hatte ich vor Beginn des Praktikums über den Alltag und die Einstellungen alter Menschen im Allgemeinen?
- Haben sich diese Ansichten verändert? Wenn ja, wodurch?
- Musste ich meine Umgangsformen oder meine Sprache an den alten Menschen anpassen? Hat mein Projektpartner durch Mimik, Gesten oder Bemerkungen erkennen lassen, dass ihm meine Umgangsformen oder meine Ausdrucksweise nicht passen?
- Habe ich generell neue Erfahrungen gemacht?
- Wofür war mein Projektpartner Zeitzeuge? (Aktiver Teilnehmer am Zweiten Weltkrieg: Geburtsjahrgang 1929 oder älter; Mitglied der Hitlerjugend: Geburtsjahrgang 1931 oder älter; Mitglied des Deutschen Jungvolks: Geburtsjahrgang 1935 oder älter,…)
- Hat mich etwas besonders beeindruckt, das mein Projektpartner im Laufe seines Lebens leisten musste?
Bewertung
Die Note für den Praktikumsbericht geht zu etwa 25 % in die Note für das zweite Halbjahr ein. Die Halbjahresnote wird also folgendermaßen gebildet:
Note für die mündlichen Leistungen im dritten Quartal: 25%
Note für die mündlichen Leistungen im vierten Quartal: 25%
Note für die Klassenarbeit im zweiten Halbjahr: 25%
Note für den Praktikumsbericht: 25%
Gesamt: 100%
Anzumerken ist, dass die Note für das zweite Halbjahr nicht mit der Note identisch sein muss, die im unmittelbar folgenden Ganzjahreszeugnis erscheint, weil die Lehrkraft verpflichtet ist, die Leistungen des ersten Halbjahrs angemessen zu berücksichtigen. („Berichtszeitraum der am Ende eines Schuljahres angegebenen Zeugnisnoten ist das gesamte Schuljahr.“ Runderlass des Kultusministeriums „Zeugnisse in den allgemeinbildenden Schulen“ vom 5. 12. 2011.)
Die Teilnahme am Sozialpraktikum wird durch eine Bemerkung auf dem Ganzjahreszeugnis zum neunten Schuljahrgang bescheinigt.
Wenn die Note für den Praktikumsbericht „ausreichend“ oder besser ist, lautet die Zeugnisbemerkung:
- N.N. hat erfolgreich am Sozialpraktikum „Jung trifft Alt“ teilgenommen.
Wenn die Note für den Praktikumsbericht schlechter als „ausreichend“ ist, lautet die Zeugnisbemerkung:
- N.N. hat am Sozialpraktikum „Jung trifft Alt“ teilgenommen.
Wenn eine Schülerin oder ein Schüler mit oder ohne eigenes Verschulden nicht in einem Umfang am Sozialpraktikum teilgenommen hat, der eine Bemerkung auf dem Zeugnis rechtfertigen würde, dann entfällt diese Bemerkung ersatzlos. Liegt die Ursache im eigenen Verschulden der Schülerin oder des Schülers, wird der Praktikumsbericht mit der Note „ungenügend“ bewertet und entsprechend bei der Bildung der Halbjahresnote berücksichtigt.
Autor: Carsten Schwier-Herrmann
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